Massenausgleich
beim 4-Zylinder Reihenmotor
Warum braucht
ein 4-Zylinder Reihenmotor Massenausgleichswellen?
Bei einem 4-Zylinder Reihenmotor laufen jeweils zwei
Kolben in die entgegengesetzte Richtung was auf den ersten
Blick die Massenkräfte ausgleichen sollte.
Massenkräfte 1. und 2. Ordnung
Nun die Schrägstellung
des Pleuels führt dazu dass die oszillierenden Massen, das sind der
Kolben plus Pleuelanteil, im oberen Totpunkt größere
Beschleunigungen aufweisen als im unteren Totpunkt.
In der folgenden Skizze
sind die geometrischen Zusammenhänge dargestellt.
Würde das Pleuel
senkrecht stehen so wäre der Kolbenweg in der oberen Hälfte, also
90 grd vor und nach dem oberen Totpunkt gleich wie in der unteren
Hälfte also 90 grd vor und nach dem unteren Totpunkt (Weg a).
Aufgrund
der Schrägstellung des Pleuels legt der Kolben aber in der oberen
Hälfte mehr Weg zurück als in der unteren Hälfte (Weg b bzw. c).
Mehr Weg der osz. Massen in der oberen Hälfte heißt aber auch mehr
Geschwindigkeit und in der Folge mehr Beschleunigung in der oberen
Hälfte. Da die Massenkraft direkt von der Beschleunigung abhängt
bedeutet dies auch mehr Massenkraft in der oberen Hälfte.
Abb.
1 Kurbeltriebgeometrie
Stünde
das Pleuel senkrecht, was natürlich nicht möglich ist, so
entspräche die osz. Massenkraft einer reinen Sinuskurve. Durch die
Schrägstellung des Pleuels ergibt dies aber eine Art verzerrte
Sinuskurve.
Die
theoretische Gleichung für diese Beschleunigung der osz. Massen
lautet:
a =
r.ω².[cosφ+λ.(cos(2φ)+λ².sin^4(φ))/
√((1-λ².sin²φ)³)]
a.....................Beschleunigung
[m/s²]
r......................Kurbelradius
[m]
ω
= n.π/30.....Winkelgeschwindigkeit [rad/s]
n....................Drehzahl
[U/min]
φ....................Kurbelwinkel
[grd] bzw. [rad]
λ
= r/l.............Pleuelverhältnis
l.....................Pleuellänge
[m]
Allerdings
kann man diese theoretische Kurve, wie jede andere Kurve auch, durch
eine Überlagerung von einer Reihe von Sinuskurven darstellen. Bei
dieser verzerrten Sinuskurve ist diese Darstellung sogar
ausgesprochen einfach. Mit zwei Sinuskurven, eine Sinuskurve über
360 grd, man spricht von der 1. Ordnung, und eine Sinuskurve mit zwei
Phasen über 360 grd, man spricht von der 2. Ordnung, ist die
theoretische Kurve bereits sehr genau darstellbar.
Die
1. Ordnung ist:
a1
= r.ω².cosφ
Die
2. Ordnung ist:
a2
= r.ω².λ.cos2φ
Die
Massenkraft der osz. Massen ergibt sich mit:
F
= m.a
F.........Kraft
[N]
m........Masse
(Kolben + Pleuelanteil) [kg]
In
der folgenden Grafik ist die 1. Ordnung grün dargestellt, die 2.
Ordnung blau und die rote Kurve ist die Summe aus 1. und 2. Ordnung.
Hinter der roten Kurve ist noch eine schwarze Kurve dargestellt die
der theoretischen Kurve entspricht. Da aber die Darstellung mit zwei
Ordnungen bereits sehr genau der theoretischen Kurve entspricht, ist
der Unterschied in der Grafik praktisch nicht erkennbar. Zwei
Ordnungen reichen hier also völlig aus um die theoretische Kurve mit
großer Genauigkeit darzustellen, der Rest ist daher praktisch
bedeutungslos.
Die
größte Abweichung von einer reinen Sinuskurve besteht im oberen und
unteren Totpunkt aber auch bei 90 und 270 grd in die Gegenrichtung
wirkend.
Die
in der Grafik als Beispiel verwendeten Kräfte beruhen auf einem
Kurbelradius von 45 mm, einer Pleuellänge 150 mm (λ
= 0,3), auf einer osz. Masse von 0,6 kg und einer Drehzahl
1000 U/min.
Abb.
2 Massenkraft eines Zylinders
Massenkräfte beim 4-Zylinder Reihenmotor
Bei
einem 4-Zylinder Reihenmotor sind die Kolben der beiden inneren
Zylinder um 180 grd versetzt zu den Kolben der beiden äußeren
Zylinder. In der linken der nächsten beiden Grafiken sind die
Massenkräfte 1. Ordnung für alle 4 Zylinder eingetragen. Die
Massenkräfte jeweils zweier Zylinder addieren sich, die Massenkräfte
der beiden anderen Zylinder wirken in die Gegenrichtung. Insgesamt
heben sich die Massenkräfte 1. Ordnung auf. Dies ergibt sich auch aus
dem Umstand dass die Massenkräfte 1. Ordnung der Massenkraft der
reinen Sinuskurve eines theoretisch senkrecht stehenden Pleuels
entspricht.
Bei
der 2. Ordnung, wie in der rechten der beiden folgenden Grafiken
dargestellt, bewirkt eine Versetzung jeweils zweier Zylinder um 180
grd dass die Massenkräfte 2. Ordnung aller 4 Zylinder gleichzeitig
wirken, das heißt die Massenkräfte 2. Ordnung aller 4 Zylinder
addieren sich. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand dass die 2.
Ordnung ja dem Unterschied der verzerrten theoretischen Sinuskurve zu
einer reinen Sinuskurve entspricht.
Abb.
3 Massenkräfte durch 4 Zylinder
Diese
Summe der Massenkräfte 2. Ordnung bleibt also als freie Kraft
erhalten. Da sich diese Massenkraft für alle 4 Zylinder addiert kann
sie sich je nach Größe der Massen und je nach Drehzahl durchaus
bemerkbar machen.
Massenausgleichswellen 2. Ordnung
Diese
freie Massenkraft 2. Ordnung kann man mit zwei gegenläufigen
Massenausgleichswellen, die sich mit doppelter Kurbelwellendrehzahl
drehen, ausgleichen. Zwei gegenläufige Wellen sind deshalb notwendig
weil ja sonst auch eine horizontale Massenkraft entstehen würde. Bei
zwei gegenläufigen Wellen gleicht sich jedoch der horizontale Anteil
aus, während sich der vertikale Anteil addiert.
Abb.
4 Massenausgleichswellen 2. Ordnung
Die Massenausgleichswellen müssen links und
rechts der Kurbelwelle angebracht werden da die resultierende
senkrechte Massenkraft der beiden Wellen in der Mitte der Kurbelwelle
wirken muss, wo auch die resultierende Massenkraft der osz.
Massen wirkt. Auch in der Längsrichtung des Motors muss die
resultierende Massenkraft der Ausgleichswellen in der Mitte der
Kurbelwelle wirken. Man würde sonst ein Moment erzeugen.
Solche
Massenausgleichswellen 2. Ordnung finden sich übrigens nicht nur bei
PKW Motoren. Selbst Traktormotoren haben teilweise diese
Massenausgleichswellen 2. Ordnung. Dort besteht zwar nicht der
gleiche Komfortanspruch, bei Traktormotoren ist aber im Allgemeinen
der Motorblock Teil der tragenden Struktur, die Schwingungen des
Motors übertragen sich dort also direkt auf die tragende Struktur.
Durch das große Gewicht der Struktur ist dort die Wirkung der
Schwingungen allerdings nicht so stark.
Kurbelstern 1. und 2. Ordnung
Die
Massenkraft der osz. Massen kann bei Motoren generell als
Überlagerung der 1. und 2. Ordnung betrachtet werden. Bei
geometrischer Darstellung spricht man von einem Kurbelstern 1.
Ordnung der dem tatsächlichen Kurbelwinkel entspricht und einem
Kurbelstern 2. Ordnung der dem doppelten Kurbelwinkel
der jeweiligen Kurbelkröpfung entspricht.
Die
Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung des 4-Zylinder Reihenmotors sehen
daher folgendermaßen aus:
Abb.
5 Kurbelstern
Mit
einer solchen geometrischen Darstellung sind die Kraftverhältnisse
durch die osz. Massen gut zu erkennen.
Massenausgleich beim 1-Zylinder Motor
Will
man im einfachsten Fall die osz. Massen eines 1-Zylinder Motors
vollständig ausgleichen so braucht man zwei Wellen für die
1. Ordnung und zwei Wellen für die 2. Ordnung.
Auch hier müssen die Massenausgleichswellen auf beiden Seiten der
Kurbelwelle angeordnet sein sodass die resultierende Wirkung der
Massenausgleichswellen in die Zylinderachse fällt. Auch in
Längsrichtung des Motors müssen die Massenausgleichswellen in
der Zylinderachse wirken. Sonst würde ein Moment entstehen.
Rotierende Massen
Rotierende
Massen kann man dagegen bei jedem Motor, ob 1-Zylinder oder Mehrzylinder, direkt mit Gegengewichten an der Kurbelwelle
ausgleichen.
Ordnungen durch die Verbrennung
Anzumerken wäre noch dass sich der Gasdruck durch die
Verbrennung auch durch eine Reihe von Ordnungen darstellen
lässt. Dies ist aber etwas ganz anderes. Die
Ordnungen des Verbrennungsdrucks wirken sich auf den Rundlauf des Motors aber auch auf die Drehschwingungen der Kurbelwelle aus.
Da beim 4-Zylinder
4-Takt Motor zwei Verbrennungen pro Kurbelwellenumdrehung
stattfinden spielt hier die 2. Motor-Ordnung (0,5 Ordnung der einzelnen Zylinder) eine
wesentliche Rolle.
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