Der Freikolbenmotor


und seine Nachteile
   


Der Freikolbenmotor kommt von Zeit zu Zeit immer wieder ins Gespräch. Zuletzt als eventuelle Möglichkeit für den Antrieb eines Lineargenerators.
Freikolbenmotor heißt dass kein Kurbeltrieb existiert und die Kolbenbewegung direkt als geradlinige Bewegung, mit einer Art Kolbenstange, auf das angetriebene Aggregat übertragen wird. Das schränkt die Möglichkeiten für die Verwendung dieser Bauart von Motor natürlich sehr stark ein.
Historisch wurden Freikolbenmotoren vor allem für Kompressoren verwendet, am Ende konnte sich aber auch hier der Freikolbenmotor nicht durchsetzen.

Dampfmaschine
Die allererste Dampfmaschine war übrigens eine Freikolbenmaschine die für den Antrieb einer Pumpe verwendet wurde.
Diese früheste Dampfmaschine verwendete auch nicht den Druck des Dampfes,
sondern der Dampf kondensierte im Zylinder und erzeugte so ein Vakuum, was freilich nicht sehr effektiv war.
Der Kurbeltrieb den James Watt zusammen mit der Verwendung des Dampfdruckes einführte ermöglichte die universelle Anwendung und damit den Siegeszug der Dampfmaschine.
Der normale Kurbeltrieb war damals allerdings patentiert, was Watt aber mit einer Übertragung über eine umlaufende Verzahnung zu umgehen wusste.


Drehbewegung
Die Drehbewegung hatte natürlich nicht nur bei der Dampfmaschine ihre Vorteile sondern auch erst recht beim späteren Verbrennungsmotor.
Eine Drehbewegung hat zunächst den Vorteil dass man sie überall hin übertragen kann, ob nun mit einem Riemenantrieb, einem Kettentrieb, einem Zahnradgetriebe oder auch mit einer Welle. Mit einem Winkelgetriebe kann man man erforderlichenfalls auch die Richtung ändern.
Mit einem Getriebe, aber auch mit einem Kettentrieb oder Riementrieb kann man mit einer entsprechenden Übersetzung auch die Drehzahl ändern wo es notwendig ist.
Bei einem Fahrzeug kann man man also die Leistung des Motors problemlos auf die Antriebsräder übertragen und durch Getriebeübersetzungen auf eine geeignete Drehzahl bringen.
Das geht mit der Linearbewegung eines Freikolbenmotors nicht. Man muss die Bewegung direkt auf das angetriebene Aggregat übertragen und die Frequenz mit der dieser Motor läuft kann auch nur direkt auf das angetriebene Aggregat übertragen werden.
Auch die Größe des Hubes muss beim Freikolbenmotor und dem angetriebenen Aggregat gleich sein, was bei einer Drehbewegung keine Rolle spielt.

Beim Verbrennungsmotor kommt noch hinzu dass die Energie für die Verdichtung irgendwo gespeichert werden muss was bei der Drehbewegung mit einem Schwungrad problemlos zu bewältigen ist.
Der Kurbeltrieb hat auch den Vorteil dass damit der Hub genau definiert ist.
Die Massenkräfte durch den Kolben haben durch die Drehbewegung ebenfalls einen genau definierten Verlauf, der einer verzerrten Sinuskurve entspricht. Dieser, einer Sinuskurve ähnliche Verlauf der Beschleunigung, hält die Beschleunigung und damit auch die Massenkräfte in Grenzen.
Wenn notwendig kann man diese Massenkräfte mit Massenausgleichswellen ausgleichen, die ihrerseits eine Drehbewegung erfordern, die man von der Kurbelwelle übertragen kann.

Auch beim Starten ist die Drehbewegung und die im Schwungrad gespeicherte Energie ein Vorteil. Ein Freikolbenmotor mit seiner Linearbewegung ist schwieriger zum Starten.

Darüber hinaus kann man bei der Drehbewegung jedes beliebige Aggregat (Kompressor, Generator, oder was auch immer) mit jedem beliebigen Motor antreiben. Das ist beim Freikolbenmotor so nicht möglich.

Alle diese Vorteile der Drehbewegung hat man bei einem Freikolbenmotor nicht.

Gegenläufige Kolben
Freikolbenmotoren wurden meistens mit zwei gegenläufigen Kolben ausgeführt wo in der Mitte zwischen beiden Kolben der Verbrennungsraum war. Zwei gegenläufige Kolben haben immerhin den Vorteil dass sich die Massenkräfte beider Kolben aufheben.
Das Problem mit der Steuerung der Kolbenbewegung bleibt allerdings. Um die Energie für die Verdichtung zu speichern wurde eine Gasfeder verwendet, das war ein zweiter Kolben mit dem bei Verbrennung Gas verdichtet wurde, diese Energie wurde dann wieder zum Verdichten des Gases im Verbrennungsraum verwendet. Die Steuerung der Kolbenbewegung ist aber bereits nicht einfach, denn einerseits soll sich der Kolben über den ganzen Kolbenweg bewegen, er soll aber auch nicht zu hart auf den Anschlag am Ende des Hubes treffen. Auch eine eventuelle Frequenzsteuerung des Motors ist nicht ganz einfach da ja die Gasfeder die Verdichtung mit bestimmter Frequenz bewerkstelligt.
Solche Motoren wurden, wie gesagt, historisch mit einem Kompressor kombiniert. Man hat dann eine Motor-Kompressor Einheit die mit bestimmter Frequenz läuft. In Summe hat man aber auch hier keinen Vorteil und der Freikolbenmotor hat sich auch hier nicht durchgesetzt.

Doppelkolben
Eine weitere Möglichkeit ist ein Doppelkolben wo zwei Kolben mittels einer Stange zu einer Kolbeneinheit verbunden sind. Wenn dies als Zweitaktmotor ausgeführt wird braucht man keine Gasfeder da bei den beiden Kolben wechselweise eine Verbrennung stattfindet. Bei einem Doppelkolben erhält man allerdings große Massenkräfte. Da hier die Beschleunigungen nicht durch einen Kurbeltrieb definiert sind, können hier große Beschleunigungsspitzen und dementsprechend hohe Massenkräfte auftreten. Insbesondere bei höheren Frequenzen werden dann die Beschleunigungen und damit auch die Massenkräfte dementsprechend hoch.
Die Kontrolle der Bewegung des Kolbens bzw. des Kolbenweges ist hier natürlich gleichermaßen ein Problem.
Beim Doppelkolben überwiegen daher eher noch mehr die Nachteile. Doppelkolbenmotoren sind daher über das Versuchsstadium nicht hinaus gekommen.

Einzelkolben
Auch Freikolbenmotoren mit einem Einzelkolben wurden gebaut. Statt dem Doppelkolben hat man dann eben einen entsprechend schweren Einzelkolben, auch wieder mit dementsprechend großen Massenkräften.

Eine Spezialanwendung für eine solche Bauart war ein Bodenverdichter. Hier kann man große Massenkräfte gebrauchen.
Für allgemeine Anwendungen überwiegen aber auch hier die Nachteile. Für andere Anwendungen ist daher auch diese Bauart über das Versuchsstadium nicht hinaus gekommen.

Lineargenerator
Neuerdings werden wieder Überlegungen angestellt einen Freikolbenmotor mit einem Lineargenerator zu kombinieren.
Bei einem Lineargenerator ist die Geschwindigkeit der Linearbewegung nicht gleichmäßig, es muss ja immer in beide Richtungen beschleunigt und wieder abgebremst werden. Das ist jedenfalls kein Vorteil. Dagegen ist bei der Drehbewegung eines Rotors die Geschwindigkeit am Umfang des Rotors praktisch gleichmäßig.
Es ist zwar nicht undenkbar einen Lineargenerator mit einem Freikolbenmotor anzutreiben, dass sich aber in Summe Vorteile ergeben ist nicht wirklich wahrscheinlich. Es mag Spezialanwendungen geben wofür ein solches Aggregat angewendet werden kann.

Theoretische Vorteile
Ein theoretischer Vorteil des Freikolbenmotors ist die geringe Kolbenreibung, da es ja kein Pleuel gibt. Das schränkt aber die Anwendung auf den Antrieb von Aggregaten ein die man auch mit einer geradlinigen Bewegung antreiben kann.
Eine Motor-Aggregat-Einheit kann in der Bauweise zwar recht kompakt sein, aber man hat eben immer nur eine bestimmte Motor-Aggregat-Einheit.
Die Vorteile sind also eher nur theoretischer Natur, dagegen bestehen gravierende Nachteile.

Stelzer Motor
Besonders skurril ist die Geschichte des Stelzer Motors. Stelzer patentierte einen Freikolbenmotor mit Doppelkolben der als Zweitaktmotor funktionieren sollte.
Ein Doppelkolben bedeutet zwangsläufig große oszillierende Massenkräfte. Der Brennraum war wegen der Verbindungsstange ringförmig was natürlich für die Verbrennung von vornherein schlecht ist. Die Beimischung von Öl beim Zweitakter wirkt sich auf Verbrennung und Abgase ebenfalls negativ aus.
Stelzer bastelte an diesem Konzept 40 Jahre (!) herum und hatte am Ende nicht mehr als einen "Motor" der gerade im Leerlauf lief und das auch nicht mit jeder Kolbenmasse. Eine Leistungsabgabe kam überhaupt nicht zustande.

Eine grundsätzliche Idee ergibt noch keinen Motor, insbesondere dann nicht, wenn schon das Prinzip dafür alles andere als erfolgversprechend erscheint.

Andere Motoren
Es gibt natürlich auch sonst alle möglichen neuen "Erfindungen" von Motoren, etwa um den Kurbeltrieb mit einer anderen Geometrie zu ersetzen oder auch mit anderen Kolbenformen.
Tatsächlich gibt es den Hubkolbenmotor nicht umsonst seit 100 Jahren in der bestehenden Form. Der zylinderförmige Kolben mit dem Kurbeltrieb ist eben die einfachste Form zur Umwandlung von Verbrennungsenergie in eine Drehbewegung.

Die Pedale beim Fahrrad sind übrigens auch eine Art Kurbeltrieb. Die Beine sind sozusagen das Pleuel, die Muskel ersetzen die Gaskraft. Auch hier ist der Kurbeltrieb die einfachste Form der Umwandlung von Energie in eine Drehbewegung.
Man sieht hier außerdem auch sehr gut die Vorteile der Drehbewegung.
Die Drehbewegung lässt sich mittels Kettentrieb von den Pedalen auf das Hinterrad übertragen und dabei gleichzeitig auf eine geeignete Drehzahl übersetzen. Das Hinterrad bewirkt dann den Vortrieb in eine bestimmte Richtung.

Auch verschiedene Arten von Rotationskolben werden immer wieder patentiert.
Aber selbst der durchaus durchdachte und auch funktionierende Wankelmotor hatte neben seinen Vorteilen eben noch gravierendere Nachteile.


Schlusspunkt
Solange es den Verbrennungsmotor gibt ist es wohl kaum wahrscheinlich dass sich etwas anderes als der Hubkolbenmotor durchsetzt.
Beim Wasserstoffantrieb ist allerdings die Brennstoffzelle im Vorteil, dort kann man auf den Verbrennungsmotor überhaupt verzichten. Der Wasserstoffantrieb lohnt sich allerdings bisher nicht.

Der Elektromotor ist eine völlig andere Geschichte aber da ist bei Fahrzeugen die Speicherung der Energie mit Batterien das Problem.
Und so könnte uns der Verbrennungsmotor, und damit der Hubkolbenmotor, wohl noch eine gute Weile erhalten bleiben.



Hier noch zwei Links:

Freikolbenmotor
Ausführliche Darstellung zu diesem Thema

Freikolben mit Lineargenerator
Ein Versuch zu diesem Thema




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Diesel_FAQ


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Copyright © 2019      Gottfried Langmann                    23.1.2019            aktualisiert:   17.7.2019